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MultiChronie oder Mehrzeitlichkeit

MultiChronie – das ist mein* neuer Begriff (lateinisch schlau: Neologismus) für ein Phänomen, das jeder Mensch kennt – und selten jemand sich in seiner großen Bedeutung für das menschliche Leben bewusst macht: Dass wir eigentlich immer in – mindestens – zwei Zeitebenen leben und handeln. Beispiel:

Ich habe eben mit jemandem telefoniert und schreibe mir nach Beendigung des Gesprächs kurz den Inhalt auf, um ihn nicht zu vergessen. Die beiden Zeitebenen hierbei:
° In der Gegenwart (Beispiel: Jetzt um 19:07 Uhr) notiere ich mir den Inhalt des Telefonats
° das ich fünf Minuten zuvor geführt habe (von 18:55 bis 19:02 Uhr).

* Wenn man den Begriff “MultiChronie” googelt, findet man magere zehn Einträge – das ist sehr selten. Aber immerhin, der Begriff existiert im Internet. Es ist damit jedoch etwas anderes gemeint als wie ich den Terminus verstehe. Und es fehlt das – für mich – charakteristische Binnenversalie – das große “C”, gewissermaßen mein Markenzeichen (oder meine Marotte, wie man auch sagen könnte).

Auch dieser Begriff hat bei mir eine – gewissermaßen multichrone – Geschichte: Ursprünglich (erstmals 1992) nannte ich das Phänomen der Gleichzeitigkeit, das mir irgendwann einmal aufgefallen war, MultiChronie (die Binnenversalie war von Anfang an dabei, um auf das doch etwas Exotische des Begriffs hinzuweisen). Irgendwann merkte ich dann, dass das sprachlich nicht korrekt ist: “multi” ist ein lateinischer Begriff – “chronos” ein griechischer. Also ersetzte ich brav das “multi” durch ein mir korrekter erscheinendes griechisches “poly” (was ja ebenfalls “viel” heißt).
Doch als ich heute diesen Beitrag schrieb, kehrte ich reumütig zum “MultiChronie” zurück. Den dreifachen Grund dafür erläutere ich unten, am Schluss dieses Beitrags.


Am Anfang war Musik?

Und so könnte man graphisch sichtbar machen, was gemeint ist: Mehrere, manchmal sogar viele Schickten (von Zeitlichkeit) übereinander – und beim Betrachten “von außen”, gewissermaßen, gleichzeitig präsent. Es passt, dass ich diese Zeichnung ursprünglich “Am Anfang war Musik” betitelt habe. Denn ist nicht Musik von eben solcher “Vielschichtigkeit in der Gleichzeitigkeit” gekennzeichnet: Mehrere Instrumente spielen zur selben Zeit, zum Beispiel bei einer Jazz-Jamsession wie “Olé” des John Coltrane Quartetts, oder in einem Symphonieorchester bei der Aufführung von “Mahlers Siebter”. In der indischen Musik dominiert zwar die Sitar oder die Sheenai – aber der sich steigernde Rhythmus der Tablas und der stetig raunende basso continuo der Tamboura sind wichtige weitere “Stimmen”. (Die einsamen einzelnen Stimme irgendwo,. die ein Lied trällert, ist etwas ganz anderes.)

Vielleicht sieht es in den “neuronalen Netzen” des Gehirns ähnlich aus? wer weiß.)

MultiChronie der Zeitschichten (JvS 12. Sep 1967: Wachsmalkreiden und Tusche: “Am Anfang war Musik”)

(Schöner Zufall, dass ich diese Zeichnung vor nunmehr 53 Jahren hingekritzelt habe, einfach so aus Lust am Malen, ohne mir viel dabei zu denken – zum Beispiel, dass mein ZukunftsSelbst sie am 21. Januar 2021 gut zur Illustration des Themas MultiChronie verwenden würde.)

Es sind auch drei und mehr Ebenen gleichzeitig möglich

Füge ich zu obigem Beispiel noch hinzu, dass ich mich beim Notieren des Telefonats daran erinnere, dass ich mit meiner Gesprächspartnerin vor einigen Jahren ein sehr schönes Erlebnis bei einem gemeinsamen Abendessen hatte – kommt bereits eine dritte Ebene ins Spiel.
Das kann man noch toppen durch eine weitere Ergänzung: Ich notiere mir, dass ich diese Frau gleich noch einmal anrufen sollte, um sie ins Theater einzuladen. Vor meinem geistigen Auge male ich mir sogar aus, wie dieser Abend verlaufen könnte – in der Zukunft.
Damit sind wir schon bei Zeitschicht fünf. In einem Roman mit vielen Rück- und Vorblenden kann dies dann leicht so ähnlich aussehen wie oben in der Graphik.

Beim Lesen eines Romans – oder beim Mitfiebern in einem spannenden Film – wechseln wir immer wieder die Zeitebene – durch Rückblenden, parallele Erzählstränge, Vorblenden (die das Ergebnis eines Vorgangs ausmalen). Ich vermute sogar, dass eine solche Vielzeitigkeit und entsprechende Vielschichtigkeit die gute Qualität eines literarischen Kunstwerks ausmacht. In der Musik ist dies scheinbar nicht möglich, weil ja Melodie und Rhythmus vorantreiben – aber bringt nicht jede Wiederholung eines Themas, eines Refrains, eine vorangehende Zeitebene ins Spiel – steht nicht Mehrstimmigkeit eines Orchesterstücks auch für “verschiedene Zeitebenen”, vor allem wenn verschiedene Tempi andere Akzente setzten?

Markenkern der Science-Fiction – und dieses Blogs

Solche Mehrzeitlichkeit ist gewissermaßen der “Markenkern” der Science-Fiction: Jemand schreibt
° in der Gegenwart
° über Ereignisse der Zukunft
° die vielleicht mit Überlegungen über die Auswirklungen künftiger Ereignisse (Krieg? Klimawandel) auf noch spätere Generationen und somit Jahre) verknüpft werden.

Stanley Kubricks Verfilmung von Arthur C. Clarkes Roman ist ein weiteres anschauliches Beispiel: Clarke hat diesen Roman
° irgendwann in den 1940er Jahren als Idee phantasiert,
° 1948 die (später in den Roman integrierte) Kurzgeschichte über den Monolithen veröffentlicht (The Sentinel),
° 1950 eine weitere Story “Begegnung im Morgengrauen” konzipiert plus einige weitere Kurzgeschichten, die er
1965? zu einem Roman zusammenfügte. Nach diesem konzipierte Kubrick zusammen mit CClarke Mitte der 60er Jahre das Drehbuch für den
° am 02. April 1968 erwtmals gezeigten Film.
° Diesen sah ich wohl gleich am ersten Tag (Ehrensache für einen SF-Freund!) in der deutschen Version, also dem 11. September 1968 im Arri-Kino in München.
° Dieser Tage (Januar 2021) habe ich mir die restaurierte Fassung auf Blu-ray gekauft und angeschaut. Und fand den Film wie damals ziemlich langfädig – aber doch auch irgendwie faszinierend wegen seines “vast scope“, also der gewaltigen Spannweite seiner Entwicklungsmöglichkeiten der Menschheit – und eben auch wegen der im Film in eindrucksvollen Szenen aneinandergereihten MultiChronie:
° Das beginnt in der Urzeit der Menschheit, in drei weit aus einander liegenden Etappen,
° springt in der berühmten Szene in die Zukunft das Jahres, das den Film seinen Titel gab: (2001): als ein hochgeworfener Knochen aus der Urzeit zu einem im Erdorbit anfliegenden Space Shuttle wird, das die Raumstation ansteuert.
° Kurz darauf landet der Protagonist Dr. Heywood Floyd auf dem Mond, wo man im Krater Clavius einen weiteren schwarzen Monolithen gefunden hat.
° Nächste Zeitschicht ist der Flug von Captain Bowman und seines Begleiters (der ein Opfer des “verrückt” werdenden Computers HAL wird) zum Jupiter – wo man einen dritten Monolithen entdeckt, welcher
° einen weiteren Sprung noch später “Beyond the Infinite” auf einer total fremden Welt initiiert – in einer spektakulären Reise (und Kamerafahrt) durch die psychedelischen Farbspektren eines Wurmlochs oder was immer das ist.
° Aber die Schlussszene machte eine gigantische zeitliche Volte rückwärts: Bowman mutiert zum alten Mann – der gleichzeig (multichron also) sich selbst (?) als neugeborenen Säugling erblickt.

Erst als ich diesen Beitrag formulierte, wurde mir klar: Genau das, diese MultiChronie, ist so etwas wie ein Charakteristikum das Blog. Es geht mir eigentlich immer darum, eigenes Erleben (Autobiographie) mit aktuellen Geschehnissen in einen weiter gefassten Zusammenhang zu bringen – nicht selten ausgelöst durch einen tagesaktuellen Artikel in der Zeitung oder eine Doko im Fernsehen – oder durch das Betrschten einer Blu-ray wie Das siebente Siegel, das mich mit der Pest des Mittelalters ebenso in Kontakt bringt wie mit der Seuche, die Albert Camus in Oran in seinem Roman Die Pest beschreibt – oder natürlich mit der aktuell wütenden Corona-Pandemie.


Autobiographisches

Eigenes Erleben (sicher von meiner langen Beschäftigung mit SF geprägt):
Obwohl ich mich heute schon mitten im Jahr 2021 befinde, “fühlt” sich diese Gegenwart manchmal so seltsam an, als befinde sie sich weit weit vor mir in der Zukunft – irgendwie aus der Perspektive des Jugendlichen von 1957, der gerade in der Arbeit an seinem ersten utopischen Roman steckt, der in wirklich ferner Zukunft spielt: im Jahr 7.812.
Es gibt in diesem utopischen Abenteuer jedoch auch eine Rückblende, in der Ereignisse viele tausend Jahre zuvor berichtet werden: Der Untergang von Atlantis (vor angeblich 12.000 Jahren).

Damals, 1957, war jedenfalls das “Jahr 2000” ein weit entfernter Zeitpunkt, der meine Phantasie sehr beschäftigt hat. Noch weiter darüber hinaus zu denken, zum Beispiel an ein Jahr mit den Ziffern 2021, war nicht vorstellbar. Dann schon wirklich weit weg ins Phantastische (und damit zugleich völlig Unverbindliche) – eben ins Jahr “7812”.

Anderes Beispiel: NN beschreibt das Zimmer, in dem er sich aktuell befindet – als plötzlich vor seinem geistigen Auge sein früheres Zimmer auftaucht, in dem er vor 30 Jahren als Student gewohnt hat.


Schreiben ist eigentlich immer multichron

Eigentlich schreiben wir immer multichron, also auf zwei Ebenen mindestens. Denn schreiben heißt immer: Sich schreibend erinnern. Unser Gedächtnis-Archiv ist vielfach gestaffelt in Zeitschichten angeordnet. Diese sind jedoch keineswegs in irgendwelchen Schubladen für sich aufbewahrt – sondern dynamisch miteinander vernetzt. Diese Vernetzung wird erzeugt durch bestimmte (gute oder schlechte) Gefühle oder durch eine bestimmte Atmosphäre (fröhlich hell, bedrohlich düster usw.). Das ist übrigens auch der Schlüssel, wie man bestimmte “vergessene” Erinnerungen wieder zugänglich machen kann.


Drei Gründe für meine reumütige Rückkehr zum Begriff “MultiChronie'”

(21. Jan 2021) Ich nenne das jetzt doch wieder MultiChronie, und zwar aus drei Gründen:

1. Weil sich mir jedes Mal das “MultiChronie” aufdrängt, wenn ich zu diesem Begriff etwas schreiben oder recherchieren will. Das ist wohl durch vielfache Verwendung tief in mir eingebrannt.

2. Mit dem – sprachlich eigentlich “falschen” – Zusammenfügen eines Begriffsteils aus dem Lateinischen (multi) und dem Griechischen (chronos → Chronie) charakterisiere ich schon im Begriff die Paradoxie, dass da Elemente aus zwei verschiedenen und zeitlich weit auseinanderliegenden Kulturen (Zivilisationen) künstlich zusammengefügt werden – also auch zwei Zeitebenen. Die griechische Welt war zuerst da und hat die römische sehr beeinflusst, wurde dann aber von dem immer mächtiger werdenden Römischen Reich abgelöst.

3. Es erinnert mich wahrscheinlich vor allem an den Multitron – den von mir so phantasierten und benannten Energiespeicher in meinem Roman Sternvogel:

War es Absicht – oder war es eine ungewollte Handlung? Später wusste Dayen es nicht mehr zu sagen. Mit fünf raschen unüberlegten Griffen stellte er die Schaltung für ein neues Sprungfeld zusammen. Für eine unbekannte Greggnor-Schleuse, deren eines Portal noch im irdischen Erfahrungsbereich lag, durch deren zweites Portal jedoch noch nie ein Schiff ausgetreten war. Das Steuergehirn fand in seinen Gedächtnisbänken keinerlei äquivalenten Wert („Sind die Werte richtig, Pilot?“) und verwendete deshalb die angegebenen Zahlen, ohne sie durch irgendwelche zeitliche oder räumliche Koeffizienten zu verändern. Sofort baute es mit Unterstützung der Speicher und des Multitrons die erforderliche Energiesphäre auf.

Und noch etwas: Es zeigt sich inzwischen, dass die “MultiChronie” so etwas wie ein dritter “Faden” meines Blogs (und somit meines Denkens) wird: Nach dem “Roten Faden = Schreiben” und dem “Blauen Faden = Science-Fiction” nun also der gelbe Faden = “MultiChronie der Geschehnisse”.
Das drängt sich schon deshalb auf, weil MultiChronie wohl DAS Charakteristikum der Science-Fiction ist (also meines Blauen Fadens)!

Quellen
Clarke, Arthur C.: 2001 – A Space Odyssee. (London 1968 – nach Kurzgeschichten von 1948, 1950 etc.).
Kubrick, Stanley (Regie) 2001 – Odyssee im Weltraum (nach dem Roman und unter Mitarbeit am Drehbuch von Arthur C. Clarke). Great Britain 1968. Auf Blu-ray in der von Christopher Nolan restaurierten Neufassung von 2020.
Scheidt, Jürgen vom: Sternvogel. Minden 1962 (Bewin).

Nur so nebenbei und ganz am Schluss: So ein Quellennachweis ist doch auch ganz schön multichron: Er reicht in diesem Fall von 1948 (Clarkes erste Story) bis 2020 (Nolans Restaurierung des Kubrick-Films von 1968).

(Aktualisiert: 21. Jan 2021/23:00 Uhr / Posted: 15. Jan 2021)

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3 (drei) Autobiographisches CoronaPandemie Zufall

Triage? Das bestimme ich!

Selbst mit Impfung (der ich zustimme) gibt es keine Garantie, dass man eine Infizierung mit Covid-19 unbeschadet übersteht. Deshalb bestimme ich in meiner Patienten-Verfügung, dass ich keine künstliche Beatmung und Ernährung haben möchte, wenn dies nötig sein sollte.
Ich will auch keinen “lebensrettenden Luftröhrenschnitt”.

Das soll dem behandelnden Arzt die Entscheidung (Triage*) erleichtern, wenn die Betten auf den Intensivstationen knapp werden – und das werden sie, weil es so viele rücksichtslose Idioten gibt (“Querdenker” nennen sie sich – obwohl das einmal ein Ehrentitel für originelle und kreative Menschen war), die sich entgegen den sinnvollen Empfehlungen und Vorschriften der Mediziner und der Politiker verhalten – oder sich einer Impfung verweigern.

* Triage – das wird abgeleitet von der Notwendigkeit, im Kampfgetümmel eines Krieges rasch eine medizinische Entscheidung zu treffen. Das Wort wird zwar abgeleitet von französisch triage für Auswahl, Sortieren, Sichten‘ zum Verb trier (sortieren, aussuchen) – aber man kann auch von “tri” = “drei” ableiten – nämlich in welchen dieser drei Bereiche man Verwundete einliefert: leicht verletzt (rasch wieder kampfbereit) – schwer verletzt (aber mit Aussicht auf Heilung) – ohne Aussicht auf Genesung, also dem Tod geweiht und deshalb nicht weiter zu versorgen, von Schmerzlinderung abgesehen.
Die Triage ist höchst aktuell, wenn es während der Pandemie zu viele Schwerkranke gibt und nicht genügend Intensivbetten zur Verfügung stehen. Auf alle Fälle der Horror schlechthin für alle Beteiligten.

Speziell den Impfgegnern empfehle ich – nein, ich fordere von Ihnen: Tragt in eure Patientenverfügung ein, dass ihr keine “künstliche Beatmung” wollt!

Letzteres kann man wohl kaum in Form eines Gesetzes fassen – aber man kann es aus allgemein menschlichen Gründen verlangen, entsprechend der volkstümlichen Abwandlung des Kant´schen Imperativs: “Was du nicht willst, dass man dir tu – das füg auch keinem andren zu.”

Ich bin achtzig Jahre alt und gehöre damit zur höchsten Risikostufe. Aber ich habe ein gutes Leben gelebt und bin damit zufrieden – kann also jederzeit abtreten (obwohl ich gerne noch einige wichtige Projekte abschließen möchte). Ich habe auch keinerlei Vorerkrankungen an Lunge, Herz und Leber, rauche nicht und konsumiere keinen Alkohol, bewege mich viel und bin dementsprechend gelassen.
Aber sollte ich infolge einer Infektion mit einer der Varianten des Corona-Virus (oder mit einer heute noch unbekannten Virusinfektionen, die noch viel schlimmer ist – das ist ja keine Science-Fiction) doch in eine lebensgefährliche Situation kommen, wo Intensivstation und künstliche Beatmung anstehen – dann möchte ich dies ausdrücklich nicht. Ich möchte stattdessen eine “erlösende Spritze” (Überdosis Morphium oder ähnliches).


Perspektivenwechsel

Man kann das Problem aber auch von einer ironischen Seite aus betrachten. Ich bin kein toller Zeichner – für eine Karikatur langt es noch:

Cut! Der lebensrettende Luftröhrenschnitt? (Edding 3000 – JvS 19. Jan 2021)

Makabrer Zufall: 1987 schrieb ich eine Novelle über einen verliebten Assistenzarzt, der in einer ähnlichen Situation der Tochter des Klinikchefs das Leben rettet – mit einem beherzten Schnitt in die Luftröhre. Das ist mir gleich zwei separate Beiträge wert:
→ Atemnot und → Der Schnitt (Anfang der Novelle)

Nachgetreten
Schade, das es keine unentdeckten Kontinente (oder große Inseln) mehr auf unserem Planeten gibt – so wie dereinst Australien, das die Briten zur Sträflingskolonie für ihre missratenen Landsleute verwandelten. Die Antarktis ist denn nun doch zu unwirtlich, um dort all die Impfgegner, Corona-Leugner, Aluhut-Träger und Verschwörungs-Phantasten zu isolieren – und die Leugner des Klimawandels gleich noch dazu.
Auf den Mond schießen, buchstäblich – das wäre die Lösung. Ist aber derzeit technisch leider unmöglich. Vielleicht kann ein Science-Fiction-Autor daraus einen spannenden Plot für einen Zukunftsroman machen?

Nachgedacht
Als Psychologe ist mir natürlich bewusst, dass es so etwas wie “die Impfgegner” und “die Verschwörungstheoretiker” gar nicht gibt. Dass das keine amorphe Masse mit gleichen Un-Qualitäten ist – sondern dass das unzählige Individuen sind, von denen jedes seine / ihre ganz spezielle Persönlichkeit mit ganz speziellen Macken und Ängsten und Sorgen hat, die da jetzt an eine “Meinung” drangehängt werden – in der Regel artikuliert von “Fahnenträgern”, die ihr ganz eigenes Süppchen kochen und – als Soziopathen – die anderen manipulieren.

Quellen
Mühlauer, Alexander: “City of Desaster”. In: SZ #11 vom 15. Jan 2021, S. 03 (Seite Drei).
Scheidt, Jürgen vom: Der Schnitt. CH-Bürchen August 1987 (Manuskript).

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3 (drei) Autobiographisches Begegnungen Entschleunigung Medizin München Yoga

Asanas und kontrollierter Atem: Yoga am morgen…

… vertreibt Spannung und Sorgen. Nach der Schreib-Session (MorgenNotizen) gleich nach dem Aufwachen und dem “Early Morning Tea” die Matte ausrollen, die Augen schließen, konzentrieren, auf den Atem achten.
Und los geht´s. Erst einige Übungen im Stehen. Dann runter auf den Boden. Auf dem Bauch die Kobra. Anschließend Rückenlage. Schön geruhsam (entschleunigt!) durch Dehnen und Strecken möglichst viele Bereiche des Körpers durcharbeiten.

Mein allererster Yoga-Lehrer (ab 1972) schrieb ein auch heute noch sehr lesenswertes Buch (leider längst vergriffen: Die Kunst sich selbst zu verjüngen). Max Kirschner (1900-1991) hatte Landwirtschaft gelernt, war für eine holländische Firma Tabakpflanzer in Indonesien gewesen, während des Kriegs in Nordindien in einem Internierungslager gefangen (zusammen mit Heinrich Harrer, der den jungen Dalai Lama so beeindruckt hatte – die Welt ist klein).

Die Engländer (damals noch die “Herren” Indiens) gaben ihm den Auftrag, in Simla eine Milchfarm mit tausend (!) Kühen zu managen. Das schaffte er auch – aber der Stress ließ ihn krank werden. Ein indischer Offizier zeigte ihm einige Yoga-Übungen, mit denen er sich zu seinem großen Staunen gut regenerieren konnte. Nach dem Krieg, aus Gefangenschaft entlassen und aus der Verantwortung für die Milchfarm, war er in Deutschland zunächst arbeitslos – wer brauchte da in München schon einen Tabakpflanzer oder Kuh-Manager!
Aber hatte er da in Indien nicht diese tolle Methode namens Yoga kennengelernt, die ihm selbst so gut geholfen hatte? Kreativ und chancensuchend wie er war, begann er, anderen Leuten “seinen Yoga” zu zeigen. Daraus wurde dann sein neuer Beruf: Yoga-Lehrer. So habe ich ihn, schon ein rüstiger alter Mann mit 72, aber topfit, während eines Yoga-Kongresses kennengelernt, bei dem ich ein Vortrag hielt (es war wohl “Tiefenpsychologie und Yoga” – s. Mangoldt 1971).

Mak Kirschners Yoga-Buch (Wiesbaden 1958 – agis-Verlag)

Zurück in München dachte ich, dieser Mann könnte die Lösung für meine Rückenprobleme sein. Und das war er auch. Etliche Jahre nahm ich Unterricht bei ihm (und später auch bei anderen Lehrern). 1975/76 kamen noch die Erfahrungen mit einigen Sitzungen bei indischen Yogis dazu (u.a. der persönliche spirituelle Führer von Indira Gandhi – ein narzisstischer Schönling und Blender – aber da wawar auch ein sehr eindrucksvoller Yogi im Ashram von Pondicherry, eigentlich der Gärtner des Ashrams – aber ein wirklich weiser alter Guru).

Aus alledem entstanden eigene Yoga-Kurse (u. a. für den Kreisjugendring München und die Sport-Hochschule der Universität). Es war immer schon meine Devise und Erfahrung, dass man über ein Gebiet am meisten lernt – indem man es unterrichtet (ein Minimum an Vorerfahrung vorausgesetzt). Es folgte nach der Indienreise mein eigenes Buch: Yoga für Europäer, dazu einige Beiträge in einem Reader (Mangoldt 1971).

Als ich später für den Bayrischen Rundfunk als freier Mitarbeiter immer neue Partner für Interviews suchte, war Max Kirschner einer meiner ersten Ansprechpartner – bei seiner Biographie!

Ergebnisse eigener Yoga-Erfahrungen und meiner Indienreise (München 1976 – Kindler)

Nicht nur Friede Freude Eierkuchen

Wenn man das hier so liest, kommt man vielleicht auf die Idee, dass Yoga die Super-duper-Lösung für alle Probleme ist. Von wegen! Ich habe mal eine Frau gekannt, die als Yogalehrerin viel praktische Erfahrung mit dieser Methode hatte; auch wie man diese Übungen für sich selbst einsetzen kann. Nur hatte sie eben zu viele ihrer Probleme “weggejogt“, statt die damit verbundenen Konflikte anzugehen und zu lösen. Eines Tages klappte das Verdrängen nicht mehr, sie bekam einen ungeheuren Wutanfall und musste sich in therapeutische Behandlung begeben. –

Der Yoga hat eine dreifache Wirkung
° Er beruhigt den Körper
° und ist zugleich ein gutes Diagnostikum für dessen Zustand.
° Und er entschleunigt das Gemüt.

Wenn ich dieser Tage am Morgen meine Asanas und mein Atemübung mache, weiß ich bei fast allen dieser rund 30 Übungen, von wem ich sie gelernt habe:
° Von einem Schweizer namens Walser die dreistufige (!) Atmung (Lungenspitzenatmung – mit den Fingerspitzen dabei die Schulterblätter berühren / Zwerchfellatmung – Hände an die Flanken legen / Bauchatmung – Hände in der Nabelgegend beim Solarplexus).
° Von Herrn Hildebrandt den Sonnengruß.
° Von Andrea “Marwa” von Waldenfels u.a. eine tantrische Meditation (die ich hier nicht näher beschreiben will).
° Von Max Kirschner, last but not least, die Kobra, den Bogen, den Pflug und many many more – und vor allem eine wunderbare Tiefenentspannung zum Abschluss jeder Sitzung bzw. Liegung. Ich bin mir sicher, dass dies meine erste bewusste Erfahrung von Entschleunigung war. Danke, Max Kirschner!

Eine Asana, die man als Europäer keinesfalls üben sollte: Den Kopfstand. Der ähnliche Schulterstand ist völlig ausreichend als “Perspektivenwechsel” und medizinisch okay (und auch viel leichter durchführbar). Wenn man (ich hatte einst das zweifelhafte Vergnügen) einen durchtrainierten Yogi wie B.K.S. Iyengar auf der Bühne vorturnen sieht, übersieht man bei dieser artistischen Vorführung nicht nur, dass der Mann den ganzen Tag nichts anderes macht – und dass er vor allem, wie die meisten Inder, eher zierlich und leichtgewichtig ist – verglichen mit uns doch etwas massiveren Europäern. Wenn einer wie er den Kopfstand macht, herrscht da längst nicht so ein höllischer Druck auf die Halswirbelsäule wie bei unsereinem.
Leider gilt der Kopfstand als die Yoga-Übung schlechthin, weil man da gewissermaßen “die Welt aus einer anderen Perspektive sieht” – eben auf den Kopf gestellt. Bullshit! kann ich da nur sagen. Man sollte bei alle diesen Übungen immer darauf achten, dass sie einem gut tun. Ein wenig “stumpfer” Schmerz bei einer ungewohnten Dehnübung ist völlig okay – stechenden Schmerz gilt es zu vermeiden – da stimmt dann etwas nicht.

Und ja: Yoga ist wirklich die “Kunst des Jungbleibens und des Selbstverjüngung” – wahrscheinlich die einzige, die wirklich etwas taugt!

Quellen
Kirschner, Max: Die Kunst sich selbst zu verjüngen. Wiesbaden 1958 (agis).
ders (Interview: JvS): “Yoga für den westlichen Menschen”. München 03. Nov 1978 (Sendung im Nachtstudio des Bayr. Rundfunk).
ders (Interview: JvS): “Entwicklungshilfe praktisch betrachtet”. München 29. Juni 1979 (Sendung im Nachtstudio des Bayr. Rundfunk).
ders (Interview: JvS): “Kultur in der Krise”. München 05. Juni 1981 (Sendung im Nachtstudio des Bayr. -Rundfunk).
Mangoldt, Ursula von: Yoga heute. Weilheim 1971 (O.W. Barth).
Scheidt, Jürgen vom: “Tiefenpsychologie und Yoga” – in: Mangoldt 1971.
ders.: “Rauschdrogen und Yoga” -in: Mangoldt 1971.
ders.: Yoga für Europäer. München1976 (Kindler Paperback).

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3 (drei) Haiku Hochbegabung Psychologie Schreiben

Die 3 (drei) ist häufig dabei

Nicht nur ich habe ein spezielles Faible für die Zahl 3 (drei). Wenn Sie ihre Tageszeitung mal genauer anschauen, finden Sie zum Beispiel, dass der “Seite Drei” darin eine spezielle Bedeutung zukommt. Dort stehen immer die großen Reportagen (jedenfalls ist das bei der Süddeutschen Zeitung so).
Jeder längere Artikel besteht aus drei Abschnitten:
° Titel (oft nur ein MindCatcher, der Ihre Aufmerksamkeit erregen soll).
° Darunter die Einlaufzeile (auch Synopse genannt), in der genauer erläutert wird, worum es in diesem Text geht. Sie ermöglicht Ihnen zu entscheiden, ob sie weiterlesen im
° Fließtext darunter, in dem die ganze Geschichte ausgebreitet wird.

Auch die Titel selbst bestehen oft schon aus genau drei Elementen – Journalisten nennen das die Dreiklangfanfare: “Friede, Freude, Eierkuchen” wäre so ein Beispiel. “Titel, Thesen, Temperamente” ein anderes. Und noch ein drittes (genau!) Exempel: “City of Desaster” (okay, das ist jetzt ein wenig gemogelt).
Am unteren Rand der einzelnen “Bücher” der Zeitung (Feuilleton, Wirtschaft, Sportteil, Lokales) werden gerne die drei wichtigsten Artikel angekündigt: “Im Rampenlicht” / “Im Zwielicht” / Im Dunkeln”. (Warum nicht nur zwei – oder gar fünf?)

Schauen Sie doch auch mal auf die Startseite dieses Blog: Da werden Ihnen wie viele Artikel angeboten?

Früher dauerte ein Song in der Jukebox drei Minuten – ungefähr. Das war der Standard. Weil das sowohl zum Zuhören wie zum Tanzen sehr angenehm war (und für den Jukebox-Betreiber finanziell ergiebiger). Bis neue Technik die Langspielplatte ermöglichte und die Jukeboxen verschwanden.

Wie wär´s mit einem “flotten Dreier”? Oder mit einer richtigen “Dreiecksbeziehung”? Geht selten gut – weil viel zu psychodynamisch. Das liest man jedenfalls in einem Interview mit dem französischen Regisseur Garrell über seinen neuesten Film “Ein Mann zum Verlieben”. Der Artikel hat den Titel “Die Drei ist eine Utopie”.

Drei Minuten soll der Tee ziehen..

Drei Minuten surrt die elektrische Zahnbürste.

“Die ersten drei Minuten…” lautet der Titel eines Buches über die Entstehung des Universums nach dem Urknall. (Warum nicht vier Minuten – oder zwei?)

Etwa drei Prozent er Bevölkerung sind hochbegabt, mit einem Intelligenzquotienten ab 130 aufwärts. (Genau genommen sind es 2,27% gemäß der Normalverteilungskurve – aber mit 3,00% lässt sich leichter rechnen – und so genau kann man die Grenze gar nicht ziehen, die HB von normaler Begabung trennt.)

Die Basis des christlichen Glaubens ist die Trinität von “Gott Vater, Gott Sohn und Heiliger Geist. (Ja, die Gottesmutter Maria hätte das ganz schön durcheinander gebracht. Deshalb haben die Protestanten sie vermieden – und die Katholiken ihr im Nebengang der Kirchen einen Seitenaltar zur Verehrung gebaut).
Die Basis des hinduistischen Glaubens ist eine völlig andere Trinität: Brahma, Shiva und Vishnu.

Eine höchst dynamische Zahl

Was macht eine Familie aus? Vater – Mutter – Kind.
Und wie kommt man dort hin? Verliebt – verlobt – verheiratet. (War jedenfalls früher so.)

Was sind die wesentlichen Entwicklungsstadien von Romanfiguren (und oft auch im richtigen Leben)? Täter – Opfer – Retter.

Wie heißen die Zeitmodi? Vergangenheit – Gegenwart – Zukunft.

Was sind die Phasen einer klassischen Heldenreise? Oberwelt – Schwelle – Unterwelt.

Was brauchen Sie, damit Ihr Handy funktioniert? Geladener Akku – Guthaben – Passwort.

Wie geht ein guter Abzählreim? “Eene – meene -muh / raus bist du”.

Wieviel Zeilen hat ein Haiku? 5 Silben / 7 Silben / 5 Silben.
Beispiel (eben gedichtet):
5 Mit “eins” beginnt es
7 Kommt ein zweites noch dazu
5 Gibt “drei” keine Ruh.

Das Beste kommt zum Schluss:

Aller guten Dinge sind drei” – so sagt man doch, oder?”

Lesefutter
Garrell, Louis (Interview: Gansera, Rainer): “Die Drei ist eine Utopie”. In: Süd.Zeitung Nr. 257 vom 06. Nov
2020, S. 12 (Feuilleton).
Könneker, Carsten: Wissenschaft kommunizieren. Weinheim 2012 (Wiley VCH). Kap. 8.2.7 “Der Dreiklang”.
– ISBN 978-3-527-32895-6. 219 Seiten – € 24,90. Ein sehr lesenswertes Buch mit vielen guten
Schreib-Tipps – nicht nur für Wissenschaftsjournalisten.
Mühlauer, Alexander: “City of Desaster” (In London wütet das Corona-Virus mehr als irgendwo in Europa).
In: Süd.Zeitung Nr. 11 vom 15. Jan 2021 S. 03 (Seite Drei).

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3 (drei) Autobiographisches Science-Fiction Technik

Von “Jim Parker” zum Weltraumschrott

Weihnachten 1948 machte ich mich zum ersten Mal mit einer Weltraumrakete auf die Reise und landete Auf unbekanntem Stern (wie meine erste Zukunftslektüre betitelt war). Richtig zur Sache resp. in den Orbit ging es 1953 mit der Heftchen-Serie Jim Parkers Abenteuer im Weltraum. Das Motto war damals, etwas salopp ausgedrückt: “Eine Raumfahrt, die ist lustig” (frei nach einem Schunkelschlager zur christlichen Seefahrt aus dem Jahr 1935). Erste Stationen ins All waren in allen Raumfahrtträumen zwei Monde:
° Luna, der echte Trabant der Erde,
° und ein künstliche Begleiter, der unseren Planeten im stationären Orbit umkreist, eine Raumstation.

Titelbild von Heft 4 der Heftserie “Jim Parker” (mit anderem Logo des Nachdrucks von 2012 _ Mohlberg-Verlag)

“Lunetta” hat Wernher von Braun letztere schon als 17jähriger Pennäler im Internat “Schloss Bieberstein” in einer Kurzgeschichte genannt und zwar 1930 – fünf Jahre vor dem Schlager “Eine Seefahrt, die ist lustig”. Später, nachdem er in den 40er Jahren mit der V2 London bombardiert hatte und nach Kriegsende als Top-Wissenschaftler in die USA geholt worden war, veröffentlichte er in den 50er Jahren drei großformatige Bildbände, die für seine Weltraumträume als Erwachsener standen:
° Eine sehr viel detaillierter ausgeführte Raumstation samt genauen Konstruktionsplänen (man hat sie allerdings nicht ihm folgend “Lunetta” genannt, also “Möndchen”, sondern technisch-nüchtern “International Space Station (ISS)”);
° der erste bemannte Flug zum Mond
° und als drittes logischerweise den Flug zum Mars, von Brauns eigentliches “großes Ziel”, zu dessen Verwirklichung Raumstation und Mondlandung nur wichtige Zwischenschritte waren.
Die Mondlandung am 21. Juli 1969 hat von Braun (1912-1977) noch erlebt, denn die wurde vorgezogen, weil Kennedy es den Russen zeigen wollte: Wer die wahrhaftigen Weltraumpioniere waren – nämlich nicht die Hündin Laika oder der Erdumkreiser und allererste “Kosmonaut” Gagarin – sondern zwei amerikanische Piloten, die man ab da Astronauten nannte. Die ISS wurde erst ab 1998 gebaut.

Auf der Raumstation lebt man nicht ungefährdet

Auf der Raumstation war ich schon lange vorher mit Jim Parker gewesen – in Heft 4 der Serie mit dem Titel “Auf dem künstlichen Mond”. 1953 war das, und es galt dort allerlei Abenteuer zu bestehen, welche heutige Astronauten in der ISS nur den Kopf schütteln oder (etwa bei Schießereien an Bord zwischen hauchdünnen Stahlwänden) die Haare zu Berge stehen lassen würden.
Für letzteres gibt es ganz andere Gründe: Wenn etwa das Klo verstopft ist. Oder ein winziger Meteorit ein Leck schlägt. Immer wieder sind schwierige Korrekturmanöver nötig, weil ein vergleichsweise dicker Brocken künstlicher Herkunft die Bahn kreuzt: Überreste kleinerer Satelliten und von Raketen ziviler oder militärischer Herkunft, prosaisch, aber sehr treffend als Weltraumschrott bezeichnet.

Das folgende Zitat stammt nicht etwa aus Jim Parkers Abenteuer “Auf dem Künstlichen Mond” – sondern aus der aktuellen Tageszeitung:
Von Männerdomänen lässt Kristina Nikolaus sich nicht abschrecken. “Oft bin ich die einzige Frau am Tisch”, sagt die 26-Jährige, denn die Raumfahrtindustrie sei eben noch immer eine Branche, in der mehr Männer als Frauen arbeiten. Als Mitbegründerin und Geschäftsführerin von Okapi Orbits trägt Nikolaus bereits Verantwortung für ein elfköpfiges Team, das eine Software entwickelt hat, um Kollisionen im Orbit zu verhindern. Die kommerzielle Raumfahrt wachse rasant und damit auch das Problem mit dem Weltraumschrott.
Immer wieder geraten beispielsweise ausgediente Forschungssatelliten auf Kollisionskurs. Manchmal rasen sie mit nur wenigen Metern Entfernung aneinander vorbei. Kommt es aber zum Crash, hinterlässt der Zusammenprall tonnenweise Weltraumschrott, der unkontrolliert mit zigtausend Stundenkilometern um die Erde kreist.

Nur nebenbei: Es ist typisch, dass zwar Männer diesen Schrott dort oben im Orbit erzeugen und hinterlassen – und dass sich nun eine Frau ans Aufräumen macht. Das ist wie nach jedem Krieg: Die Männer schlagen sich mit “Hurra” (oder auch ängstlich leise) die Köpfe ein – die Krankenschwestern in den Feldlazaretten und Militärhospitälern und dann zuhause die Mütter und Ehefrauen versorgen die Wunden. Wenn überlebt wurde.

Nebenprodukt einer Drogenberatung

Die eingangs erwähnte Story “Lunetta” von Wernher von Braun bekam ich 1970 während einer mehrtägigen Drogenberatung in Schloss Bieberstein stolz von den Lehrern aus dem Archiv des Internats präsentiert. Dank der Vermittlung meines Freundes Jesco von Puttkamer aus der gemeinsamen Zeit im “Science Fiction Club Deutschland” (ab den 60er Jahren Mitarbeiter von Wernher von Braun in Huntsville) bekam ich vom Konstrukteur der Saturn-Mondrakete die Erlaubnis, “Lunetta” in meiner Anthologie Das Monster im Park nachzudrucken. Es geht nichts über gute Beziehungen.

Quellen
Braun, Wernher von: “Lunetta” – s. Scheidt 1971
Kolnberger, Anton F.: Auf unbekanntem Stern. Nürnberg 1948 (Die Egge).
Scheidt, Jürgen vom: (Hrsg.): Das Monster im Park. Erzählungen von Wernher von Braun bis Arthur C.
Clarke. München 1970 (Nymphenburger Verlagshandlung.).
Tjörnsen, Alf: Jim Parkers Abenteuer im Weltraum: Auf dem künstlichen Mond (+ 3 weitere Hefte).
(Rastatt 1953_Pabel-Verlag). Köln 2012 (Mohlberg Verlag).
Seeburg, Carina: “Wilder Westen im Orbit”. In: SZ #02 vom 04. Jan 2021, S. 17 (Wirtschaft: Nahaufnahme).

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GeistQuantenfluktuationen

Achtung – jetzt wird es winzig, richtig multimikroskopisch ultra nanomäßig klein. Und ein wenig science-fiction-artig. Aber es wird zugleich auch immens schreibpraktisch.

Quantenfluktuationen sind die kleinste vorstellbare Einheit der Welt – Manifestationen des Planck´schen Wirkungsquantums. Max Planck hat es sich als Grundlage der von ihm um 1900 begründeten Quantenphysik ausgedacht. Ausgedacht – das ist das Schlüsselwort. Niemand wird jemals ein solches Teilchen beobachten. Es ist ein geistiges Konstrukt, das man in die mathematischen Formeln der Quantenphysik einbauen kann. Das funktioniert bestens.
Harald Lesch stellt dafür in dem Film “10 hoch” eine gute Visualisierung vor: Aus dem Nichts (Vakuum) gemächlich aufblubbernde Bläschen. Sie “blubbern” natürlich nicht – sie geben keinen Ton von sich – “dort unten” im kosmischen Vakuum gibt es keine Töne. Aber das ist eine anschauliche Vorstellung.
Ich liebe dieses Wort “Quantenfluktuation” – das ist pure Poesie. Es ist sehr anschaulich (wenn man weiß, worum es sich handelt und den Film mit Lesch gesehen hat). Es passt bestens in jede Science-Fiction, die ja ihre ganz eigene technische und naturwissenschaftliche Sprache hat und – wenn sie gut ist – auch Poesie. Muss man aber mögen.

Als Jugendlicher zwischen Abitur und erstem Studiensemester habe ich mal während einer “malenden Phase” die folgende Skizze gezeichnet. Sie kommt heute in meiner Vorstellung dem am nächsten, was bei einer Quantenfluktuation geschehen könnte und sich eigentlich nicht beschreiben lässt. Aber man kann sich dem annähern. Als ich im Sommer 1959 das Bild anfertigte, hatte ich keine Ahnung von QF. Oder wie das sein könnte, wenn aus dem Unbewussten etwas in dieser Art aufsteigt und so etwas wie psychische Energie wird – die dann zum Beispiel zu so einem Bild gerinnt, wenn man dem Fluss der Energie folgt.

In vielfacher Vergrößerung: Aus der Schwärze des Vakuums emaniert ein Quant – könnte aber auch was anderes sein (JvS 1959-08-06)

GeistQuantenfluktuationen – was soll das denn sein?

Unter Geist versteht die Philosophie (und heute ihre moderne Tochter, die Psychologie) ein drittes* Element neben Körper und Psyche. Die heutigen Psychologen mögen den Begriff nicht sonderlich – da kann man nichts messen, wiegen, zählen. Aber niemand wird bestreiten, dass es so einen eigenständigen Bereich gibt. Denn Gedanken, als Grundelement des Geistes, sind nun mal nicht körperlicher Natur oder seelischer Art (wie die Gefühle). Beispiel: Das Wort “GeistQuantenfluktuationen”.

* Körper, Seele und Geist – das ist ein sehr schönes Beispiel für die Bedeutung der Zahl “3” – nicht nur in der Philosophie. Deshalb habe ich dafür eine eigene Kategorie eingerichtet: “3 (drei)”.

Ich habe mir diesen Begriff heute früh ausgedacht – nein: das Wort ist mir eingefallen. Es “fiel” buchstäblich in mein Bewusstsein ein, als ich nach etwas suchte, das den Vorgang beschreibt, der jeden Morgen bei mir abläuft, wenn ich nach dem Aufwachen erst einmal im Dunkeln sitze. Das ist meistens so gegen 05:00 Uhr, also im Übergang von der Nacht in den Tag, wo manchmal ein Traum nachschimmert (oder heftig nachhallt, wenn es ein Albtraum war), aber auf jeden Fall irgendwelche Gedanken, Ideen, Einfälle hochblubbern. Woher kommt das? Aus der Nacht- und Traumwelt. Aus dem seelischen Urgrund. Aus dem Unbewussten (wie Freud das nannte), oder aus dem Vorbewussten (wie ebenfalls Freud jenen anderen, bewusstseinsnäheren Bereich nannte, der schon einmal bewusst war, aber wieder vergessen wurde und so etwas wie die Quelle der Kreativität ist)
Inspiration nannte man das früher – vom griechischen Wort für “einhauchen”. Etwas wird eingehaucht. Etwas blubbert hoch – so wie die Quantenfluktuationen aus dem kosmischen Urgrund des Vakuums hochblubbern, sich zu Quarks und immer höheren, komplexeren Elementarteilchen zusammenfinden, Atome bilden daraus Moleküle, diese schließen sich zu Zellen zusammen – Leben beginnt – und auf der höchsten beobachtbaren Ebene: Menschen wie Sie und ich. Das kann man sich doch gut vorstellen, oder*?

* Was man sich nicht mehr vorstellen kann: Woher sollen denn diese Quantenfluktuationen kommen – wenn es “da unten” weder Raum noch Zeit noch sonst irgendetwas gibt? Eine Frage, auf die es niemals eine Antwort geben wird – genau wie auf diese Frage: “Was war vor dem Urknall?” – wo kommt diese ultrawinzige Materieballung her, in welcher das gesamte Universum enthalten ist und aus der es sich entfaltet, Raum und Zeit bildet –
Lassen wir das. Sonst landen wir noch im Irrenhaus, pardon: in der Landesnervenheilanstalt – so heißt das heute euphemistisch. Meint aber dasselbe: An der Welt irre werden – sich verlieren im Yrrinthos der Welt. (Zum “Yrrinthos” an dieser Stelle mehr.)

Continuos creation des Geistes: auch Kreativität genannt

Der Begriff “Quantenfluktuationen” ist wiederum ein sehr gutes Beispiel für das, was ich “GeistQuantenfluktuationen” nenne – ein Gedanke, der um 1899 in Max Planck hochgeblubbert ist, sich erst in Texten und Formeln des Gelehrten manifestierte und irgendwann Bestandteil des modernen naturwissenschaftlichen Denkens wurde. Er ist – obwohl niemand ihn je gesehen und beobachtet hat und dies niemals der Fall sein wird – ein Element der Wirklichkeit geworden.
Und vielleicht wird sogar, wenn andere diesen meinen Begriff aufnehmen und verwenden, die “GeistQuantenfluktuationen” ebenfalls zu einem Element der Wirklichkeit – obwohl dies nichts anderes als eine “GeistQuantenfluktuationen” ist, die heute früh in mir hochgeblubbert ist. Und selbst wenn sonst niemand den Begriff übernimmt – in meiner Wirklichkeit ist er nun da und macht mir anschaulich, was Kreativität ist (und auch Phantasie): Einfälle (die von irgendwo aus einem geheimnisvollen “oben” einfallen) – oder eben von “unten”, ebenso geheimnisvoll hochblubbern, aus den Archiven meines Gedächtnisses oder woher sonst sie entstehen mögen.
Continuos creation – das war in der Kosmologie lange die Beschreibung dessen, was im Kosmos ständig passiert. Einstein glaubte noch an dieses ständige Weiterfließen von Raum, Zeit, Materie und Energie “von irgendwoher”. Bis Hubble mit der Idee des Big Bang, des Urknalls daherkam. Die Kontinuierliche Schöpfung (die ja eigentlich keine war, oder? Wer soll den das “geschaffen haben?) lebt aber paradoxerweise immer noch weiter – eben als Konzept der – genau: der Quantenfluktuationen! Die ja unaufhörlich aus dem Vakuum, dem Nichts entstehen und neue Materie/Energie bilden…

Rätselhafte Welt, diese Physik. In der es allerdings auch andere Paradoxien gibt, wie die “Welle-Korpuskel-Dualität” des Lichts. Mit dem wunderbaren Nebeneffekt, dass Heisenberg mit seinem Unschärfe-Theorem die Psychologie in die Physik hineingeschmuggelt hat: Den Beobachter. Es liegt “im Auge des Betrachters” (so ungefähr hat das Shakespeare dies mal in Bezug auf die Schönheit formuliert), ob das Licht als Welle beobachtet wird – oder als Korpuskel.
Und es liegt “im Wollen des Handelnden”, ob er aus einem Blubber-Gedanken einen Song komponiert, eine Statue aus einem Stein haut, ein Gemälde gestaltet, einen Aphorismus kreïert, vielleicht sogar einen ganzen Roman mit tausend Seiten – oder vielleicht nur ein winziges Haiku.

“I bombed Munich”

Ein anschauliches Beispiel für eine GeistQuantenfluktuation habe ich dieser Tage Anfang Janaur 2021 erlebt, als irgend etwas (keine Ahnung mehr, was das war) eine Erinnerung an ein Erlebnis 1992 in Brig im Kanton Wallis auslöste. Ich habe es hier im Blog beschrieben. Das war natürlich nicht ich, der da bombte – aber vielleicht lesen Sie es hier im Blog nach: “I bombed Munich” .-

Und hier noch ein Haiku (eben in mir hochgebubbelt)

Geist Quan ten fluk tua tion – sechs Silben. Könnte man da vielleicht ein Haiku draus machen? Wie wär´s damit:

Quan ten fluk tua tion
So blub bert der Geist em por
Aus Rät sel tie fen

Zählen Sie es ruhig nach: 5- 7 – 5 Silben. Guten Morgen, allerseits.

Quelle
Windorfer, Gerhard und Lenz, Herbert (und Harald Lesch als Sprecher und Moderator): 10 hoch 26 bis -35: Universum und Quanten. Deutschland 2010 (Komplett Media).

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Und als Spezialbonus noch ein flott gedichtetes Haiku zum Thema Geldkreativität:

Geld oder Leben?
Nur vom Weinstock die Reben
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* Wie Sie sehen, habe ich es mit der “3”. Ist mein Glückszahl – vielleicht auch Ihre?
Jeweils drei aktuelle Texte sehen Sie auch auf der Startseite dieses Blogs angezeigt, wenn Sie ihn aufrufen (das ist die Grundeinstellung von WordPress). Sie würden staunen, wo die “drei” sonst noch eine Rolle spielt – sie ist fast so etwas wie eine “magische” Ziffer. Mehr im Blog-Beitrag → Die 3 (drei) ist häufig dabei.